Fake-Demokratie des Senats

Bebauungsplan Tempelhofer Feld in Berlin

Für CDU und SPD steht fest: Entgegen dem Volksentscheid wollen sie das Tempelhofer Feld bebauen. Jetzt muss es nur irgendwie demokratisch aussehen.

An der großen Bürgerwerkstatt zum Tempelhofer Feld beteiligten sich vor knapp zehn Jahren mehr als 1,1 Millionen Berliner:innen. Fast 750.000 von ihnen sagten beim damaligen Volksentscheid: Das Feld bleibt frei. Nicht nur für das Stadtklima ist das eine bis heute wegweisende Entscheidung; das Feld ist zu einem massenhaft genutzten Freizeitort einer hoch verdichteten Stadt geworden. Doch SPD, CDU und die mit ihnen verbandelte Immobilienbranche haben den Ber­li­ne­r:in­nen ihre Entscheidung niemals verziehen und sind seitdem auf Revanche aus.

Die allerdings muss in einem demokratischen Gewand daherkommen. Der Senat hat sich deshalb schon in seinem Koalitionsvertrag vorgenommen, das Volk erneut zu befragen, von oben, um seine Bebauungsphantasien endlich durchzusetzen. Dass es für ein solches Vorhaben bislang keine rechtliche Grundlage gibt, geschenkt, irgendwie wird man sich das schon noch hinbiegen. Damit das ganze nicht so aussieht, als würden die Herrschenden das Volk so lange befragen, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt, hat man sich nun ein weiteres demokratisches Fake-Instrument einfallen lassen.

Dem autoritären Demokratiespektakel soll eine erneute Bürgerwerkstatt vorausgehen. 500 zufällig ausgewählte Bür­ge­r:in­nen sollen dazu befragt werden, ob auf dem Feld lieber ein paar Wohnungen oder Büros entstehen sollen. Gefragt werden sollen sie nicht, „ob“ das Feld bebaut werden soll, sondern „wie“, so hat es Stadtentwicklungssenator Christin Gaebler (SPD) diese Woche angekündigt.

Das entscheidende, gewünschte Ergebnis wird also bereits vorweggenommen, um dann mit einer besseren Argumentationsgrundlage in eine Volksbefragung gehen zu können. Dasselbe Ziel verfolgt ein städtebaulicher Wettbewerb, der ebenfalls Bebauungsideen vorab generieren soll.

Kein Raum für Gegenargumente

Mit dem vorgegeben verengten Meinungskorridor werden zentrale Argumente gerade derjenigen, die sich seit Jahren für das Feld engagieren und Expertise angesammelt haben, außen vor gelassen. Es wird nicht zur Debatte gestellt, ob man lieber erstmal all die Flächen bebaut, auf denen nach Senatsplänen bereits jetzt Platz für etwa 200.000 neue Wohnungen ist. Bei dem gegenwärtigen Tempo könnte in Berlin also noch 20 Jahre weitergebaut werden, ohne dass es das Feld bräuchte.

Doch über all das möchte der Senat nicht sprechen, stattdessen gewöhnt man die Stadtgesellschaft schon einmal an ein bebautes Feld. Für die Container-Unterbringung von Geflüchteten sollen demnach Freizeitanlagen wie das Baseball-Feld weichen. Bei dieser Maßnahme wird sogar auf Schaufenster-Demokratie verzichtet. Das Leid Geflüchteter kommt gerade recht.

Kommentar Eric Peter, taz, 09.12.2023

 

 

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