Große Zahlen und halbe Wahrheiten - Welchen Wert hat ein unbebautes Tempelhofer Feld? (Pressemitteilung Nr. 8)

Pressemitteilung des Vereins Demokratische Initiative 100% Tempelhofer Feld e.V. vom 7.11.2012

Sie haben ein erklärtes Ziel, das Tempelhofer Feld zu entwickeln: Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und die landeseigene Tempelhof Projekt GmbH. Für die Projektentwickler und Planer bedeutet das, zu verwerten. Weil ihnen die Menschen, welche sich zu Hunderttausenden am großen, unbebauten Feld erfreuen, dabei zunehmend in die Quere kommen, hatten sie ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Nichtbebauung ermitteln sollte.

Schon zu Beginn dieser nun vorliegenden Schrift macht Prof. Simons vom Empirica Institut deutlich, das er nicht die Absicht hatte, für seine Auftraggeber ein simples Horrorszenario zu entwerfen. Solide begründet erläutert der Volkswirt, warum es "nicht zulässig" wäre, Arbeitsplätze, Investitionen, Baugewerbeumsatz etc. auf dem Tempelhofer Feld als Nettogewinn zu werten. Die Berliner müssen sich nicht die Sorge machen, dass für Investitionen, die nicht auf das Tempelhofer Feld fließen, in Berlin keine alternativen Standorte gefunden würden.

Dann rechnet der Professor mit bemerkenswertem Aufwand vor, welche volkswirtschaftlichen Kosten entstünden, wenn Verkehrsströme von Bewohnern und Erwerbstätigen zukünftig nicht mit dem Tempelhofer Feld verknüpft wären, sondern eben mit anderen dezentraleren Standorten in der Stadt. Die Wege wären weiter. Dem Nutzen derer, die heute auf dem Feld ihre Freizeit verbringen, widmet er sich zwischendurch gerade einmal auf eineinhalb Seiten.

Unter dem Strich lassen sich hieraus volkswirtschaftliche Kosten von durchschnittlich ca. 6 Millionen Euro pro Jahr ableiten. Weil Simons glaubt, dass die Kosten, die der Verkehr durch Schadstoffausstoß, Stau etc. verursacht, auch in 50 Jahren noch die selben sein werden wie heute, ergibt sich über den langen Zeitraum die beeindruckende aber theoretische Summe von 298 Mio. Wer gerne Kopf rechnet, kann es vor diesem Hintergrund interessant finden, dass den genannten 6 Mio. Euro pro Jahr in 2011, nach Angaben von Tempelhof Projekt, 1,6 Mio. Feld­‐Besucher gegenüber standen.

Der Gesetzentwurf der Bürgerinitiative 100 % Tempelhofer Feld, die mit einem Volksbegehren das Feld schützen und erhalten will, fußt auf Erkenntnissen, die den Wert des unbebauten Feldes vor Allem in seiner nachhaltigen, Enkel tauglichen Nutzung sehen. Wenn sich Berlin auf die bisherige Freizeit-­ und Erholungsnutzung beschränkt und auf eine Bebauung verzichtet, so wird es nach Ansicht der Initiative wahrscheinlich, dauerhaft von seinen wichtigen ökologischen und stadtklimatischen Funktionen zu profitieren. Auf ihrer Internetseite hat die Initiative hierzu umfangreiches Material zusammengetragen. Die Bewertung dieses Nutzens sucht man in den Berechnungen von Empirica jedoch vergebens.

Liest man das Gutachten nochmals von vorn, so stößt man auf jene Passage, in der mit Bedauern darauf hingewiesen wird, dass die Bearbeitung im Sommer 2012 unter hohem zeitlichem Druck erfolgte. Man wünscht sich, der Verfasser und seine Mitarbeiter hätten neben ihren Berechnungen die Zeit gefunden, bei sommerlichem Wetter etwas mehr praktische Feld-­‐Forschung zu betreiben. Das Empirica-­‐Gutachten greift daher zu kurz. Die Frage nach dem volkswirtschaftlichen Wert des unbebauten Feldes und seines Nutzens für das Gemeinwohl ist nach wie vor offen. Die Bürgerinitiative 100 % Tempelhofer Feld hat daher hierzu eine Befragung der heutigen Nutzer des Feldes gestartet. https://www.soscisurvey.de/thf100/

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